«8-17 Uhr»-Jobs gibt es auf einem Biobauernhof kaum. Schon gar nicht bei Betriebsleiter Remo Knöpfel auf dem Biobetrieb des Holderhofs in Ufhofen. Jeder Tag ist hier anders und abhängig von vielen verschiedenen Faktoren. Regnet es an diesem Tag? Wie steht es mit dem Unkrautdruck auf dem Kräuterfeld? Lauern Pflanzenkrankheiten oder Schädlinge? Gibt es genug Personal? Sind die Holunderblüten schon pflückreif? Ist Frost angesagt? Gibt es frischgesetzte Pflanzen, die bewässert werden müssen? Letzteres war in diesem Frühling definitiv nicht der Fall. Dieser Frühling fiel mächtig ins Wasser, das zeigt auch der Blick auf die Statistik. Im Mai ging in Niederwil SG fast doppelt so viel Regen nieder, wie in einem durchschnittlichen Jahr. Was heisst das für das Team von Remo Knöpfel?
Nass und warm
Bei nassen Böden ist maschinelles Arbeiten nicht möglich, weil es sonst zu schädlichen Verdichtungen kommen würde. Deshalb sind die Mitarbeiter des Holderhofs bei solchen Bedingungen häufiger zu Fuss mit der Hacke auf den Feldern unterwegs, um das störende Unkraut zwischen Pfefferminz, Salbei oder Brennnesseln im Zaum zu halten. Die Vegetation profitierte von deutlich höheren Temperaturen in den ersten Monaten des Jahres. Nicht nur dem lästigen Unkraut, sondern offenbar auch den Kräutern bekam das nicht allzu schlecht. In einer der raren trockenen Phasen konnte Remo Knöpfel deshalb so früh wie selten einen ersten maschinellen Kräuterschnitt durchführen. Auch das zeigt: Die Launen der Natur schlagen oft auf beide Seiten aus.
Realität kommt vor digital
Exakt vor einem Jahr brauchte es für die frisch gesetzten Pfefferminzpflanzen eine Bewässerung. In diesem Jahr ist Remo Knöpfel froh, wenn er die Goldmelissen-Jungpflanzen überhaupt in den Boden bringt (siehe Bild oben), weil es ständig zu nass ist. Das zeigt: exakte, langfristige Planbarkeit ist auf dem Biobauernhof des Holderhofs schier ein Ding der Unmöglichkeit. Die Augen vom Remo Knöpfel schielen zwar ständig auf die Wetter-App, um ja nicht eine längere trockene Phase zu verpassen. Richten muss er sich dann aber nach der Realität vor Ort. Da hilft der Griff mit der Hand in den Boden beispielsweise, um die Befahrbarkeit des Bodens abzuschätzen beispielsweise. Oder: steht genug Personal zur Verfügung, um ein paar Tausend Kräuterjungpflanzen an einem Vormittag zu setzen, weil am Nachmittag schon wieder Regen angesagt ist?
Alles im Gleichgewicht
Alles andere wie gut ist der viele Regen auch für die Holunderblüten. Denn dieser spült den aromatischen Blütenstaub weg. Aber dieser sorgt vor allem für den Geschmack beispielsweise im Sirup vom Holderhof. Mengenmässig konnten die Erntearbeiterinnen und -arbeiter zwar ähnlich viele Blüten sammeln wie in den Vorjahren. Doch die Qualität der Blüten hat unter dem Wetter gelitten. Relativ gut durch den Regen gekommen sind dafür die Mostäpfel, wo die bestäubenden Honig- und Wildbienen offenbar trotz allem gute Arbeit geleistet haben. Zudem hatte Petrus wenigstens hier ein Einsehen und verschonte die Anlage von einem Frost, welcher die Blüten hätte schädigen können. Natürlich haben auch die Äpfel mit den reduzierten Sonnenstunden – sie lagen 20 Prozent unter dem langjährigen Vergleich –, zu kämpfen. Doch ihnen bleiben bis zur Ausreifung noch ausreichend Wochen mit hoffentlich wärmeren Temperaturen und weniger Feuchtigkeit.
So herausfordernd dieser Frühling in Punkto Wetter aus landwirtschaftlicher Sicht gerade sein mag, langfristig gleicht sich das immer aus. Das ist Teil des Spiels auf einem biologisch bewirtschafteten Bauernhof, der sich wenn möglich immer an der Natur ausrichtet und auf chemische Hilfsmittel verzichtet.