Dieser Tag im Juni ist ideal für die Ernte der Holunderblüten: Kühle Temperaturen am Morgen und dazu trockene äussere Bedingungen. Wenn es zu nass ist, wird der Blütenstaub abgewaschen. Und um diesen geht es schlussendlich, denn in ihm steckt das so typische Aroma. Langjährige Erntehelferinnen und -helfer aus der Region sowie ein weiteres externes Pflückteam stehen in Ufhofen auf dem Holderhof bereit, um die Dolden mit den weissen Blüten von Hand abzuknicken und in den Erntekesseln abzulegen. Die langen Äste hängen in Greifhöhe spaliermässig herunter. Zufall ist das nicht: es wird mit einem sachgemässen Schnitt im Winter bewusst herbeigeführt. Für die Pflege und Ernte der Holunderbäume auf dem Holderhof ist Bruno Schenk zuständig. Das ganze Know-how hat er sich in den beiden letzten Jahrzehnten angeeignet. Dabei ist der ehemalige klassische Milchbauer einst zum Holunder gekommen wie die Jungfrau zum Kind: «1998 bestellte mein Sohn 200 Holundersträucher und bat mich, diese zu pflanzen», sagt Bruno heute. Da tat er zu Beginn noch mit wenig Überzeugung, auf einem ehemaligen Maisfeld, «weil es dort am wenigsten störte». Doch wie wir heute wissen, funktionierte es: Der Familienbetrieb wurde zum Holderhof und zum Ursprung der heutigen Holderhof Produkte AG, gegründet und geführt von Brunos Sohn Christof.
Blütenstaubsauger funktionierte nicht
Der Holunder ist für den mittlerweile pensionierten Bruno Schenk immer noch eine Herzensangelegenheit, der er sich mit viel Hingabe widmet. So zeigt er an diesem Tag dem Erntepersonal, welche Dolden sie an den rund 1600 Bäumen ernten müssen. «Die Blüten sollten zu etwa zwei Drittel offen sein und mit möglichst wenig Stiel abgezwickt werden», erklärt er. Wenn zu viel «grün» mitkomme, beginne es zu «gräseln». Denn wie gesagt, geht es ja nur um den Blütenstaub, welcher nach einem speziellen Verfahren zum Extrakt mit dem typischen Aroma verarbeitet wird. Vor Jahren hätten sie einmal Versuche mit einer Art Staubsauger durchgeführt, um gezielt nur den Blütenstaub zu gewinnen, erzählt Bruno. «Damit hätten wir viel Aufwand einsparen können». Es habe aber leider nicht funktioniert, schmunzelt er. So blieb es beim bewährten Pflückverfahren von Hand.
Vielfach eingesetzter Holunderblüten-Extrakt
Mit seinem kleinen Traktor ist der «Seniorchef» emsig zwischen den Baumreihen unterwegs, um die Kisten mit jeweils rund 30 Kilogramm frischgeernteten Holunderblüten in die Halle zu führen. Dort greift er noch einmal zur Heugabel und sorgt so dafür, dass die Blüten nicht zu dicht aufeinanderliegen, genug Luft dazwischenkommt und die Wärme so entweichen kann. Die Ernte dauert den ganzen Tag und wird nach ein paar Tagen noch einmal wiederholt, um die etwas später blühenden Holunderblüten auch noch einzusammeln. Das Erntegut wird jeweils noch am gleichen Abend in die Weinkellerei Paul Gasser AG nach Ellikon an der Thur transportiert, wo das Extrakt hergestellt wird, welches danach in den Sirupen und zur geschmacklichen Verfeinerung in weiteren Getränken der Holderhof Produkte AG verwendet wird. Damit ist die diesjährige Holunderblütenernte auch schon wieder Geschichte und der süsse Duft verfliegt wieder. Obwohl ganz vorbei ist es doch noch nicht: Denn bis in den Spätherbst entwickeln sich an den übriggebliebenen Dolden die dunklen Holunderbeeren, welche eine zweite Ernte erlauben. Wäre da nicht die in den letzten Jahren in die Schweiz eingewanderte Kirschessigfliege: «Je nach Witterung und Jahr fallen wegen dem Schädling drei von fünf Ernten vollständig aus», sagt Bruno etwas wehmütig.