Noch fehlen den kleinen Verveine-Pflänzchen ein paar Wochen, bis sie ihre geschützte Kinderstube im Gewächshaus der Biogärtnerei Neubauer in Erlen TG verlassen können. Dort sorgt eine Holzschnitzelheizung nämlich dafür, dass die Temperatur nicht unter den Gefrierpunkt sinkt. Das würden die frostempfindlichen Pflanzen nicht überleben, denn ursprünglich stammen sie aus Südamerika. Die seit über 30 Jahren bio-zertifizierte Gärtnerei hat sich auf die Produktion von etwas spezielleren Jungpflanzen spezialisiert. Der Holderhof lässt hier einen Teil seiner Kräuter-Jungpflanzen herstellen, wie beispielsweise Brennnesseln, Liebstöckel, Minze und Verveine. Im Mai zügeln die über 60’000 Verveine-Jungpflanzen auf den landwirtschaftlichen Betrieb des Holderhofs in Ufhofen, wo sie maschinell in den frisch aufbereiteten Boden ins Freiland gesetzt werden. In den folgenden Sommer-Monaten werden die Blätter geerntet und schonend vor Ort getrocknet, und bei Bedarf in den Holderhof-Getränken verwendet – beispielsweise im vom Holderhof neu lancierten BioTea «Verveine-Zitrone». Bei unserem Klima funktioniert der professionelle Verveine-Anbau nur, wenn die Jungpflanzen zuvor in einer geschützten Umgebung in kleinen Töpfchen heranwachsen können, über die dunklen Wintermonate unterstützt von LED-Licht. Damit dies überhaupt gelingt und die vielen Jungpflanzen rechtzeitig bereit sind, ist viel Know-how des Teams um Senior-Chef Markus Neubauer gefragt.
Vegetative Vermehrung
Die Vermehrung von Minze oder Verveine geschieht vegetativ über Stecklinge. Diese entnimmt das Personal von Markus Neubauer von sogenannten Mutterpflanzen. Ein für den Start notwendiger Grundstock an solchen Mutterpflanzen muss dauernd vorhanden sein und wird jährlich durch neu herangezogene Pflanzen verjüngt. Bereits im September geht es für die Anbausaison im Folgejahr los mit der Entnahme der ersten Stecklinge, die in etwa fünf Wochen so weit heranwachsen, um selbst zu Stecklingslieferanten zu werden. So geht das in mehreren Sätzen weiter, bis schliesslich die Anzahl der bestellten Jungpflanzen erreicht ist. Neben organisatorischem Aufwand sind ein feines Händchen und ein geübtes Auge nötig, um die kleinen Verveine-Ästchen fachgerecht von der Mutterpflanze abzuschneiden. Die Stecklinge werden dann in Erdtöpfchen mit von der Gärtnerei selbsthergestellter, eigener torffreien Erdenmischung gesteckt. Als Vorstufe zur Wurzelbildung bildet sich zuerst der sogenannte Kallus. In dieser ersten Phase brauchen die Stecklinge ausreichend Feuchtigkeit, Licht und die passende Temperatur. «Diese Balance zu finden und zu halten ist die Voraussetzung, damit es mit der Wurzelbildung klappt», erklärt Markus Neubauer.
Brennnesseln-Samen aus dem Berner Oberland
Im Vorjahr kultivierte Markus Neubauer im Auftrag des Holderhofs Bio-Jungpflanzen von Liebstöckel und Brennnesseln. Im Unterschied zu Minze und Verveine werden diese einzeln in die Erdtöpfe ausgesät. Als langsam wachsende Pflanze erfolgt die Aussaat beim Liebstöckel bereits im August, um im folgenden Frühling für das Pflanzen im Freiland bereit zu stehen. Für die Biogärtnerei eine besondere Herausforderung war die Anzucht der Brennnesseln. Der Holderhof war der erste und bis jetzt einzige Kunde, der Brennnessel-Jungpflanzen in einem so grossen Umfang bestellte. Bereits die Beschaffung des Saatguts in Bioqualität war aufwändig. Fündig wurde Markus Neubauer schliesslich bei einer kleinen Saatzuchtfirma im Berner Oberland. Da es kaum Erfahrungen mit der Kultur gab, musste die Gärtnerei aber zuerst mit kleinen Anbausätzen die Ansprüche der Pflanze abklären, um schliesslich die ideale Umgebung für das Wachstum zu schaffen. «Wenn eine Pflanze in der Natur einfach so von selbst wächst, muss das noch lange nicht heissen, dass es auch als Kultur in einem Profi-Anbau funktioniert», erklärt der experimentierfreudige Markus Neubauer. Bei den Brennnesseln klappte es.